Wie der Blues in England begann
Während der Blues in Amerika eine sehr viel tiefere Verwurzelung hat und sich schon zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts in seiner heutigen Form zu bilden begann, schwappte die Erfolgswelle der Bluesbands erst Mitte des Jahrhunderts nach Europa hinüber. In England begann man sich erst nach dem Krieg so richtig für die Musik aus Amerika zu interessieren, was durch die Anwesenheit der Amerikaner und vieler schwarzer Gis zu erklären ist. Der Blues war unter ihnen eine beliebte Musikrichtung und so verbreiteten sie diesen Trend auch im England der Nachkriegszeit. Die Engländer konnten sich mit der amerikanischen Musik gut identifizieren, da sie die gleiche Sprache und den gleichen kulturellen Hintergrund hatten wie die Amerikaner.
In den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg machten Bands und Sänger wie Lonnie Donegan, Gitarrist Alexis Kroner und Harmonikaspieler Cyril Davies den Blues in Großbritannien berühmt. Alexis Kroners Band Blues Incorporated, die heute immer mehr in Vergessenheit zu geraten droht, war wohl die wichtigste englische Blues Band überhaupt. Die bedeutendsten britischen Künstler spielten zu Beginn der 60er Jahre mit ihr zusammen, zum Beispiel Long John Baldry, Charlie Watts, Brain Jones, Mick Jagger, John Mayall, Eric Claption, Rory Gallager und viele andere. Bekannte Namen wie Eric Clapton wirkten auch bei John Mayalls Bluesbreakers Band mit.
Vom Stil her war der Blues der gleiche, doch allein von der Motivation her unterschieden sich der britische Blues und sein Publikum stark von der amerikanischen Seite. Zu ihren Vorbildern gehörten Chicago, Muddy Waters, Howlin‘ Wolf, Jimmy Reed oder Chuck Berry mit ihrem Hang zum elektrischen Blues. Man bewunderte ihren Stil, wusste jedoch nicht viel über den ursprünglichen Konflikt zwischen dem Norden und dem Süden der Vereinigten Staaten, der die Bluesmusik einst ins Leben gerufen hatte. Diese Unwissenheit brachte die jungen Briten und Iren jedoch nicht davon ab, es ihren Idolen mit einem kämpferischen Enthusiasmus so gut es ging nachzumachen. In Großbritannien waren in den sechziger Jahren Gruppen wie die Yardbirds, Moody Blues, Animals, Them, Who und Rolling Stones bekannt, die mit ihrer Musikrichtung eine ganz neue Form des Rocks auf den Markt brachten. Auch im internationalen Raum feierten sie große Erfolge und machten kein Geheimnis daraus, dass sie ihre Musik und ihren Erfolg auf der Tatsache begründet sahen, dass sie durch den amerikanischen Blues inspiriert worden waren.
Zu Beginn wirkte die britische Imitation des amerikanischen und ursprünglichen Blues noch reichlich unbeholfen und planlos, doch es breitete sich bald eine besser durchdachte Vorgehensweise aus, was jedoch zur Folge hatte, dass man sich stark von den eigentlichen Merkmalen des Blues entfernte und ganz neue Musikrichtungen entstanden. Hieraus gingen sehr gute britische und irische Musiker hervor, wie zum Beispiel Peter Green, Jeremy Spencer (der Gruppe Fleetwood Mac), Tony McPhee, Stan Web, Christine Perfect, Alvin Lee, Duster Bennett, Van Morrison und Rory Gallagher.
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