Sam (Lightnin‘) Hopkins
Hopkins war ein echter Folk-Poet, der einfach einen Song erfand, wenn er Geld brauchte. Sein Repertoire reichte von extrovertierten Tanzstücken bis hin zu launigen, äußert emotionalem Blues, deren Texte oft von seinem Humor und Sarkasmus geprägt waren. Eine seiner Stärken war seine Improvisationskunst, die es ihm erlaubte, aus einem kleinen Thema, die er oft aus seiner Alltagserfahrung entnahm, eine große Anzahl von Variationen zu kreieren. Er gehörte zu jenen Interpreten, die für Jahrzehnte die Tradition und das Verständnis für den Blues, insbesondere bei Europa Tourneen, weitergaben. Er beeinflußte Musiker wie Buddy Guy, Louisiana Red, Arthur Hopkins oder Wild Chet Butler. Während seiner gesamten Karriere blieb er im Grunde ein ‚Minstrel‘, der den Blues aus seiner Tradition heraus als Konversationsform verstand. Als sein wichtigstes musikalisches Vorbild gilt Blind Lemon Jefferson, dessen Konzerte er schon als Kind verfolgte. Jeffersons berühmte Arpeggio – Technik des Call – Response – Schemas (Ruf – Antwort) entwickelte er zu seinem individuellen Stil weiter. Hopkins beantwortete häufig jede gesungene Zeile mit einem Gitarrenpart.
Hopkins wurde am 15. März 1912 in Centerville, Texas geboren. Im Kindesalter mußte er harte Farmarbeit leisten. Das Gitarrespielen lernte er von seinem älteren Bruder Joel bei, der später unter dem Namen John Henry bekannt wurde.
Anfang der zwanziger Jahre schlug sich Hopkins als Wandermusiker mit Auftritten in Bars, Kneipen, Holzfällerlagern u.a. entlang der Santa Fe Railroad durch. Hauptsächlich hielt er sich jedoch in Houston auf. Er schloß sich schließlich seinem Cousin Texas Alexander an, mit dem er bis in die dreißiger Jahre hinein durch die Lande zog. Dabei begleitete Hopkins Alexanders Gesang mit der Gitarre. Der Stil Alexanders beeinflußt Hopkins unüberhörbar. Mitte der Dreißiger muß Hopkins eine Gefängnisstrafe auf der Houston County Prison Farm abbrummen, die einen tiefen Einschnitt in seinem Leben darstellt. An seinen Händen konnte man auch später noch die Spuren der Ketten der Chain Gangs erkennen. Die sklavenähnlichen Bedingungen während seiner Haft spiegeln sich in seinem „Penitentiary Blues“ wieder:
Lord I just couldn’t help myself
You know a man can’t help but feel bad
When he’s doin‘ time for someone else.
Nach seiner Entlassung spielte er wieder mit Texas Alexander zusammen. Im November 1946 startete er seine Schallplattenkarriere bei dem Aladdin – Label in Los Angeles, wohin ihn die Talentsucherin Lola Ann Cullum vermittelt hatte. Gemeinsam mit dem Pianospieler Wilson ‚Thunder‘ Smith machte er einige Aufnahmen – darunter einige exzellente für das Label Gold Star – wobei er es immer verstand, den Songs immer seinen Stempel aufzudrücken. Wegen der Intensität der Sessions nannte ein Studiotechniker die beiden Thunder and Lightning. Der Werbewirksamkeit wegen übernahm Hopkins diesen als Scherz gedachten Spitznamen als Künstlernamen zu. Die Aufnahmen waren regional recht erfolgreich und so nimmt Hopkins bis 1954 eine ganze Reihe von Platten auf, deren Songs von unerfüllter Liebe, Glücksspiel (dem er selber verfallen war), seinen Gefängniserfahrungen, von Vorzügen und Gefahren des Alkohols, seinen Eltern, Blind Lemon Jefferson und anderen Themen handeln. Dabei setzt er sich immer wieder auch mal selber ans Piano oder die Orgel. Die Single „Short haired Woman“, die er in Houston im Alleingang aufnahm, erreichte eine Verkaufszahl von 40.000 Stück und die nachfolgende Nummer „Baby, please don’t go“ schaffte die doppelte Auflage. Hopkins avancierte in Texas zum Star.
Um den Exklusivvertrag mit seinen Plattenfirmen kümmerte er sich allerdings wenig. Er schloß weitere Kontrakte ab und nahm für andere Firmen oftmals die gleichen Songs bloß unter einem anderen Namen auf.
Doch nach 1954 begann das Interesse an seiner Musik wegen des aufkeimenden Rock’n’Roll abzuflauen. Er verschwand für einige Jahre aus der Öffentlichkeit im Getto von Houston, da er seine Tantiemen aufgebraucht hatte. Erst 1959 entdeckt ihn der Bluesforscher Sam Charters erneut und überredete ihn zu einem Comeback, was angesichts der finanziellen Situation Hopkins‘ nicht allzu schwer gewesen sein dürfte. Von nun an erreicht er ein zunehmend weißes Publikum, vor dem er auf Universitäts- und Folklorefestivals auftritt. Er verlor allerdings nie den Kontakt zu seinen schwarzen Zuhörern. Hopkins wurde wieder zum festen Bestandteil der texanischen Szene, trat in der New Yorker Carnegie Hall auf und nahm eine großartige Platte mit Sonny Terry und Brownie McGhee auf.
In den sechziger Jahren tourte er wie viele andere Bluesmen auch im Rahmen des American Folk Blues Festivals durch Europa. Er machte auch immer wieder Schallplatten – einige Aufnahmen entstanden auch in Hamburg – und wirkte nebenbei in Filmen oder Radioproduktionen mit. 1970 erhielt die Dokumentation „The Blues accordin‘ to Lightnin‘ Hopkins“ auf dem Chicagoer Film Festival einen „Goldenen Hugo“. Im gleichen Jahr jedoch mußte der inzwischen vierfache Vater einen derben Schicksalsschlag hinnehmen: Aufgrund eines Autounfalls mußte er dauerhaft eine Nackenstütze tragen. Von da an machte er nur noch wenige Schallplattenaufnahmen und Auftritte. 1977 trat er bei seiner letzten Europa Tournee beim Rotterdamer Jazz Festival und beim Dortmunder Jazz Live Festival auf. Sein letztes Konzert gab er am 09. November 1981 im New Yorker Club Tramps. Kurz darauf diagnostizierten Ärzte Kehlkopfkrebs und er mußte sich einer Operation an der Speiseröhre unterziehen, die ihn aber nicht mehr retten konnte. Am 30. Januar 1982 starb er in Houston, Texas. Er hinter ließ der Musikwelt über fünfzig LP’s.
Kommentarbereich geschlossen.