Die Geschichte der E-Gitarre
Die Geschichte der E-Gitarre geht auf das vergangene Jahrhundert zurück, wobei ihre Vorentwicklung schon Ende des 19. Jahrhunderts stattgefunden hat. Gitarrenbauer wurden in Europa stets im Vergleich zu den Geigenbauern eher als minderwertige Schreiner verachtet. In den Vereinigten Staaten sah dies schon anders aus, was mehrere gute europäische Gitarrenbauer gegen Mitte bis Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Auswandern trieb. Ein Beispiel hierfür ist einer der Vorväter der E-Gitarre, Christian Martin Friedrich. Er baute selbst zwar keine E-Gitarre, ist aber für die Voraussetzungen für Gitarren mit Stahlsaiten, so wie wir sie heute kennen, verantwortlich. Er baute den Gitarrenkorpus so um, dass er mit Metallsaiten spielbar wurde, was die Gitarren lauter, prägnanter im Ton und universeller einsetzbar machte. Dies stand in einem krassen Gegensatz zu den damals konventionellen Gitarren mit Darmsaiten, die eher dünne Töne von sich brachten.
Sechzig Jahre nachdem Martin seine ersten Versuche in Richtung der heutigen E-Gitarre gestartet hatte, machte sich ein englischer Auswanderersohn mit dem Namen Orville Gibson daran, nach dem Vorbild der Geigen von Stradivari, Gitarren zu bauen. Er übertrug hierfür einfach das Konstruktionsprinzip einer Violine auf das einer Gitarre, was dazu führte, dass er eine Gitarre mit gewölbter Decke, gewölbtem Boden und einem nach hinten gewinkelten Hals kreierte. Mit diesen Modellen hatte Gibson einen so großen Erfolg, dass er bald in seiner Heimatstadt Kalamazoo eine Firma gründete, damit er die rasant steigende Nachfrage bedienen konnte. Das Unternehmen gründete er 1902 unter dem Namen The Gibson Mandolin-Guitar Company. Nachdem er sich einige Jahre später aus der Firma zurückzog, wurden seine Ideen und Konzepte von anderen weitergeführt, was dazu führte, dass die Qualität und der Klang seiner Gitarren immer besser wurden. Sie waren sogar so überzeugend, dass sie das Banjo im Laufe der 20er Jahre langsam aus den Orchestern verdrängten.
Die nächsten wichtigen Teilhaber an der Entstehung der E-Gitarre waren die Dopyera Brüder, die tschechischer Abstammung waren und in Los Angeles Saiteninstrumente bauten. Das Grammophon war damals die Musikquelle Nummer eins in so gut wie jedem Haushalt, doch eines Tages kam den Dopyera Brüdern die Idee, ein System der Klangverstärkung auf rein akustischem Weg zu entwickeln, das dem System ähneln sollte, das auch für das Klingen der Schelllackplatten verantwortlich war. Sie gingen das Prinzip so simpel wie möglich an und sagten sich, dass man, wenn man die Saitenschwingungen auf eine Membran überträgt, so nur eine große Fläche bräuchte, um die Schwingungen abzustrahlen. Bis dato galt die Decke der Gitarre als Membran, doch es musste möglich sein, die Schwingungsenergie der Saiten noch effektiver nutzen zu können, damit man einen lauteren Ton erlangen konnte. So stanzten die Dopyera Brüder aus dünnem Blech einen flachen Trichter, setzten diesen mit der Öffnung nach unten in einen Gitarrenkorpus und platzierten den Steg auf der Spitze des Trichters. Die Lautstärke dieses neu geschaffenen Instruments brach alle bisher gekannten Rekorde und bot so vielen Musikern die Möglichkeit, auch endlich die Gitarre als dominierendes Instrument einzusetzen, das sogar die lauten Bläser überbot.
Mit Hilfe einiger Geldgeber und Partner gründeten die Dopyeras eine Firma unter dem Namen National, aus der später das Unternehmen Dobro wurde, was zu einen von ihrem Namen und der Kurzform für Brothers, also Brüder, abzuleiten ist oder aber auch von dem tschechischen Wort für gut, dobre. Die Gitarren, die von National und Dobro produziert wurden, finden sich heute in dieser Form noch im Gebrauch und werden meist als Resonatorinstrumente bezeichnet.
Das Problem, dass man mit der Gitarre nur schwer die Bläser eines Orchesters übertönen konnte, plagte so manchen Musiker. Zu diesen gehörte auch der Texaner George Beauchamp, der die Hawaiigitarre und die Geige spielte und ein Grammophon Horn an seinen Instrumenten befestigte, um so einen besseren Klang aus diesen heraus zu holen. Als er auf die Dopyera Brüder traf und mit ihnen zusammen das Resonatorsystem entwickelt hatte, schienen sich diese ehemaligen Probleme in die Luft aufzulösen. Er wollte jedoch noch sehr viel höher hinaus und so begann er erneut mit Spulen und Magneten zu basteln. Er befestigte den Tonabnehmer eines Plattenspielers, der aus einem Permanent Magneten und einer Spule bestand an einer Gitarre aus massivem Material, führte an Stelle der Tonabnehmernadel die Saiten ins Magnetfeld des Tonabnehmers ein und sorgte so dafür, dass durch die Schwingungen der Saiten das Magnetfeld „gestört“ wurde und eine Wechselspannung in der Spule induziert wurde. Diese verstärkte er beliebig und ließ sie so per Lautsprecher wieder hörbar machen. Er erfand somit das System, das heute noch von so gut wie allen E-Gitarren genutzt wird.
Ein Problem erstand mit dieser Erfindung jedoch, denn Beauchamps Partner bei der Firma National sahen die neue Entwicklung gar nicht gerne, da sie weiterhin ihre Resonatorinstrumente an den Mann bringen wollten. Die neue Erfindung ruinierte ihnen den Markt und so erfuhr Beauchamp von ihnen keinerlei Unterstützung bei der Vermarktung seiner Modelle. Der emigrierte Schweizer Adolph Rickenbacker, der in der Nachbarschaft der Dopyera Brüder arbeitete, stellte sich jedoch bald als idealer neuer Geschäftspartner für Beauchamp heraus. Er war für die Metallarbeiten bei den Dopyeras zuständig und half Beauchamp dabei, die erste Hawaii Gitarre mit dem neuen Tonabnehmer umzurüsten. Der Prototyp wurde aus Holz gefertigt, das Instrument ging jedoch später mit einem Korpus aus Aluminium in Serienfertigung. Die Form der Gitarre war ebenso wie ihre Konstruktion und ihr Material für die damalige Zeit außergewöhnlich. Sie hatte einen kreisrunden Korpus und einen vergleichsweise schlanken, langen Hals. Sie wurde schnell als „Bratpfanne“ in Musikerkreisen bekannt.
Nachdem sich Beauchamp 1932 seine geniale Erfindung patentieren ließ, sahen auch viele andere Firmen den Erfolg in seinen Entwicklungen und begannen ähnliche Projekte zu starten. Eine dieser Firmen war das Unternehmen von Gibson, das nicht nur Hawaii Gitarren mit Tonabnehmern ausstattete sondern auch konventionelle Gitarren umrüstete. Das Modell ES-150 besaß noch einen hohlen Korpus und war ohne Tonabnehmer voll funktionsfähig. In den nächsten zwanzig Jahren baute Gibson schließlich auch an Gitarren aus massiverem Material. Die ES-150 wurde unter anderem von Charlie Christian benutzt, einem jungen schwarzen Gitarristen, der die Vorzüge der neuen E-Gitarre als einer der ersten zu genießen wusste. Er konnte sich so auf die Arbeit als Solist konzentrieren, selbst wenn er mit einer Big Band spielte und da er einen ausreichenden Prominentenstatus mitbrachte, wurde das Modell bald zum Hit.
Doch Christian blieb nicht der einzige Musiker, der die elektrische Gitarre populär machte. Ebenfalls der Texaner T-Bone Walker sollte genannt werden, der mit seiner E-Gitarre ganz neue Ausdrucksformen entwickelte und so maßgeblich zu ihrer Nutzung im Bereich der Blues Musik beitrug. Beide prominente Künstler sorgten dafür, dass sich die E-Gitarre sehr rasch in der Branche etablierte. Selbst während des Krieges erfuhr die Produktion an Gitarren in den USA keinen Abbruch und durch die steigenden Zahlen an Instrumenten brauchte man auch immer mehr Werkstätten, die sich auf die Reparatur der Instrumente spezialisierten. Einer der bekanntesten Gitarrenbauer kam so zum Genre. Leo Fender, der in der Nähe von Los Angeles Radios, Plattenspieler und Verstärker reparierte. Immer öfter wurde er zu Rate gezogen, wenn Musiker Schäden an ihrer Gitarre vorzuweisen hatten. Die Reparatur dieser war relativ schwierig und da Fender den Instrumentenbau niemals gelernt hatte, fiel ihm die Aufgabe nicht immer leicht. Aus diesem Grund gründete er zusammen mit seinem Kompagnon George Fullerton eine Firma, um Verstärker und E-Gitarren zu bauen.
So genannte Steel Gitarren, ein anderer Name für Hawaii Gitarren, wurden zu seinem Markenzeichen. Sie waren mit einem massiven Korpus ausgestattet, einem Cutaway, zwei Tonabnehmern und einem relativ simpel konstruierten Hals. Die Grundidee Fenders bestand daraus, Instrumente zu schaffen, die nicht nur leicht zu bauen sondern auch einfach zu reparieren waren. Seine Gitarren konnte man mit einem Schraubenzieher und einem Lötkolben auseinander- und wieder zusammenbauen. Um 1950 kam die erste Fender Gitarre auf den Markt, sie trug den Namen Telecaster und ist in der Branche noch heute bekannt, wobei sie verschiedene Namen wie Esquire, Broadcaster oder Nocaster trug und später der Vorgänger der Stratocaster wurde. Fender war der erste seiner Zunft, der Gitarren mit massivem Korpus am Fließband produzieren ließ.
Der Gitarrist Les Paul, der in der Nähe von Fender wohnte und selbst schon mit der Verstärkung von Gitarren experimentiert hatte, stellte bald fest, dass ein hohler Korpus bei der Gitarre überflüssig ist und sogar stören konnte, wenn er bei bestimmten Lautstärken unerwünschte Rückkopplungen erzeugte. Er ging nach einigen Versuchen zuhause zu Gibson, um seine Idee in Serie anfertigen zu lassen. Hier stieß dieses Konzept jedoch nicht auf große Begeisterung, da man es nicht mit der traditionellen handwerklichen Qualität des Unternehmens zu vereinbaren wusste. Nachdem es Gibson jedoch nicht verborgen blieb, welche Erfolge Fender feierte, entschied man sich dazu, ein Konkurrenzmodell auf den Markt zu bringen. Hierfür erschien die Idee von Les Paul als geeignet und so wurde er erneut eingeladen und man schlug ihm einen Handel vor. Er wurde an den verkauften Modellen beteiligt und stellte einen guten Marketingpartner dar, da sein Name überall bekannt war. So entstand die erste Solidbody von Gibson im Jahr 1952. Ihr Korpus war aus zwei Schichten Holz aufgebaut, die eine Schicht aus Ahorn, die andere aus Mahagoni. Die Decke war gewölbt und mit einer Leiste eingefasst. Um das Modell noch konkurrenzloser zu machen, wurde die gesamte Gitarre mit goldfarbener Lackierung geliefert.
Die Les Paul und die Stratocaster waren die erfolgreichsten E-Gitarrenmodelle, die je auf den Markt kamen. Seitdem konnten bis auf kleinere Verbesserungen keine großen Durchbrüche in diesem Bereich mehr erzielt werden. Die einzelnen Neukonstruktionen der nächsten Jahrzehnte war die Semi Acoustic Reihe von Gibson aus dem Jahr 1958, bei der es sich um Modelle mit echten Bindegliedern zwischen der Gitarre mit akustisch funktionsfähigem Korpus und einem massiven Korpus handelte und die Firebird Reihe aus dem Jahr 1963, ebenfalls von Gibson. Die Gitarren dieser Reihe waren für ihr einteiliges Halssegment bekannt. Der Hals war weder eingeleimt noch eingeschraubt sondern bildete eine Einheit mit dem Korpus.
Es bleibt als Fazit zu sagen, dass auch heute noch alle existierenden E-Gitarren auf die Modelle Gibson ES-150, Fender Telecaster, Fender Stratocaster, Gibson Les Paul, Gibson ES-335 und Gibson Firebird zurückgehen. Form, Farbe oder Material sind variabel einzusetzen, doch es ist seit den revolutionären Jahren Mitte des vergangenen Jahrhunderts nichts Bedeutendes mehr an diesen Modellen geändert worden. Auch heute gibt es noch keine Konkurrenz für die bestehenden Konstruktionen. Alte Modelle sind bei Künstlern sehr viel beliebter als Neuerungen.
Kommentarbereich geschlossen.