Big Bill Broonzy
Er wurde am 26. Juni 1893 (Andere Quellen geben 1898 an) in Scott, Mississippi, als Sohn ehemaliger Sklaven geboren. Als Kind zog er mit seinen Eltern (seine Mutter wurde 102 Jahre alt!) und siebzehn Geschwistern, von denen sein Stiefbruder später als Washbord Sam Karriere machte, nach Arkansas. Da sich seine Familie nur für zwei seiner Geschwister die Schule leisten konnten, wuchs er als Analphabet auf. Er lernte eine Menge Songs von seinen älteren Verwandten, insbesondere von seinem Onkel Jerry Belcher, der sie ihm auf einer selbstgebastelten Zigarrenkistenfiedel lehrte. 1912 arbeitete er zunächst im Gleisbau und als Landarbeiter. Von seiner religiösen Mutter im Glauben erzogen, begann er bald als Prediger, heiratete 1916 Guitrue Embria und betätigte sich als Farmer, bis eine große Dürre seine Ernte und auch seine Ersparnisse vernichtete. Kurz darauf wurde er 1918/19 von der Army eingezogen.
Blues begann er allerdings erst zu spielen, als er 1920 nach Chicago kam. Zuerst schlug er sich dort allerdings als Dienstbote und Speisewagenkellner durch. Bei dem Banjospieler Papa Charlie Jackson erhielt er Gitarrenunterricht und tourte mit ihm durch regionale Clubs. Seine ersten Schallplattenaufnahmen machte er 1926 mit dem Pianisten Cripple Clarenvce Lofton und dem Sänger Bumble Bee Slim – jedoch mit nur mäßigem Erfolg. Erst 1930 begann er so richtig damit – und das gleich in beachtlicher Menge. Er entwickelte sich langsam zu einem hervorragenden Gitarristen , der Rags und Tanzstücke genauso beherrschte wie traditionellen Blues. Viele Aufnahmen machte er mit Georgia Tom oder Frank Brasswell. In dieser Zeit begründete er einen Stil, der überall in seiner Musik und Ende der dreißiger Jahre auch in den Tänzen und schnellen Jives seiner Chicago Five auftauchte.
Broonzys andere Seite waren langsame und mittelschnelle Bluesstücke mit ergreifendem Ausdruck. Der Tonfall seiner Stimme erinnerte an den Field Holler, aber ihre Autorität verriet den Großstadtmenschen. Auch in seinem Leben waren beide Züge gleich stark ausgeprägt, denn er bewegte sich ständig zwischen seinem Haus in Chicago und der Farm in Pine Bluff, Arkansas hin und her. Sein enger Kontakt sowohl zur städtischen wie ländlichen Lebensweise spiegelte sich auch in seinem einfühlsamen Gesang wieder. Vor dem Hintergrund seines rockenden, swingenden Beats machte er häufig Gebrauch von gedämpften Noten oder hämmerte einfach auf die Saiten los. Wenn er sang, schien er fast zu heulen. Die Intonnation erinnerte an Leroy Carr und seine mühelose Instrumentaltechnik an Scrapper Blackwell. Er war stets offen für andere stilistische Ausdrucksmöglichkeiten und verstand sich selbst als Bluesentertainer. „Blues ist etwas ganz Natürliches, etwas wie man lebt. Wenn du es nicht lebst, so hast du ihn auch nicht“ lautete sein Bluesverständnis. Wurde er im Studio angewiesen, wie er einen bestimmten Akkord zu spielen habe, werte er sich und sagte: „Es klingt falsch. In seinen literarisch wertvollen Texten erwieß er sich als weiser Mann, als Philosoph.
Nach dem Tod von Leroy Carr nahm er dessen Platz ein und entwickelte einen städtischen Folkblues, mit dem er ein größeres und bis zu einem gewissen Grad auch bisher unbeteiligtes Publikum ansprach. Einen Ruf als individueller Künstler hatte er sich allerdings schon vorher erspielt, wobei vor allem sein selbstsicheres Auftreten beim Singen geschätzt wurde. Dies zeigte sich auch darin, daß er neben Blackwell / Carr einer der ersten war, die wieder Schallplattenaufnahmen machten und ihren Ruf als Künstler wiederherstellen konnten. Broonzy schrieb über 350 Songs und macht e mehr als 500 Schallplattenaufnahmen. Trotz seines musikalischen Erfolges hörte er nie auf, sich auch noch als Arbeiter zu verdingen. Selbst in den für ihn so erfolgreichen fünfziger Jahren arbeitete er noch in seiner eigenen Taverne an der Ecke 36th Street und Cottage Groove in Chicago.
1938 und 1939 engagierte ihn John Hammond für seine Konzertreihe From Spiritual to Swing in der New Yorker Carnegie Hall. Danach wurde es für eine Weile ruhig um Big Bill, bis er ab 1945 im Rhythm & Blues Bereich tätig wurde, wobei er unter anderem mit Don Byas All Stars spielte.
1951 erhielt Big Bill zum erstenmal die Gelegenheit in Frankreich aufzutreten, nutzte diese sehr erfolgreich und blieb anschließend für einige Monate. 1952 trat er in England mit Mahalia Jackson auf und auch In den folgenden Jahren machte er dann regelmäßige Tourneen durch Europa, die ihm in Belgien, England und Frankreich eine riesige Anhängerschaft bescherten. Auf seinen Tourneen wurde er unter anderem von Brother John Sellers und Chris Barber begleitet. Auch Alexis Korner bezeichnete ihn als eines seiner Vorbilder.
Während seiner Shows plauderte er mit dem Publikum und erreichte durch seine lässige Art auch Zuhörer, die bis dahin noch nichts mit dem Blues anfangen konnten.
1954 eröffnete er in Chicago ein Lokal und 1955 veröffentlichte er seine Biographie, die er mit dem Belgier Yannick Bruynoghe geschrieben hatte und die Jean Delire mit Broonzy als Hauptdarsteller verfilmte und 1957 bei den Berliner Festwochen präsentierte. Big Bill genoß seinen Erfolg in vollen Zügen. Doch nur kurze Zeit diagnostizierten die Ärzte bei ihm Lungenkrebs. Bei einer Operation wurde sein Kehlkopf in Mitleidenschaft gezogen, so daß er bis zu seinem Tod am 14 August 1958 in Chicago nicht mehr auftreten konnte.
Er war eine Vaterfigur des Folk – Blues und einer der bedeutendsten Bluessänger Chicagos und erhielt im Laufe seiner Karriere viele Auszeichnungen.
Kommentarbereich geschlossen.